Ein Artikel von Dr. Susanne Leddig-Bahls. 

Die Sanierung von Rohrleitungen innerhalb der Gebäudestruktur stellt eine große Herausforderung für die Rohrsanierungstechniken dar. Die erschwerte Zugänglichkeit, komplexen Leitungsverläufe und erhöhten Anforderungen hinsichtlich Brandschutz und Temperaturbelastbarkeit verlangen von den Verfahren eine besonders hohe Flexibilität und Beständigkeit.

RSV Merkblatt 7.3 kurz vor der Veröffentlichung

Der RSV Arbeitskreis 7.3 zur „Sanierung von innerhäuslichen Rohrleitungen mit vor Ort härtenden Materialien“ hat sich dieses Themas angenommen und ein Merkblatt erarbeitet, das eine Übersicht zu den technischen Möglichkeiten der innerhäuslichen Sanierung mittels Reaktionsharzen bietet und gleichzeitig Anforderungen definiert. Die hier betrachteten Verfahren sind in Abbildung 1 zusammengefasst.

Abbildung 1: Verfahrensübersicht zur innerhäuslichen Sanierung [RSV 7.3, Stand: 2019-03]

Die Sanierungsverfahren mit vor Ort härtenden Materialien umfassen die Reparaturverfahren mit Nutzungsdauern von ca. 15 Jahren und die Renovierungsverfahren mit Nutzungsdauern von mindestens 50 Jahren. Es gilt eine Mindestwanddicke der Sanierung von 2,0 mm bei Leitungen <DN200. Bei größeren Nennweiten sind mindestens 3,0 mm vorzusehen.

Bei der Auswahl von Reaktionsharzen für den Einsatz innerhalb von Gebäuden sind besonders hohe Anforderungen an die Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit zu stellen. Es sind Harzsysteme zu verwenden, die eine möglichst geringe Geruchsbelästigung für den Anwohner verursachen und sicher vollständig aushärten. Systemabhängig können Inhaltsstoffe enthalten sein, die eine starke Geruchsbildung verursachen, wie zum Beispiel Styrol. Dies ist innerhalb von Gebäuden zu vermeiden.

 

Erste DIBt-Zulassung für „Vor Ort härtende Schlauchliner“ innerhalb von Gebäuden 2012 erteilt

Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) hat im Jahre 2011 ein erstes Vorläufiges Prüfprogramm für Schlauchliner zur Sanierung schadhafter Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden erstellt. Die erste DIBt-Zulassung für ein Schlauchliningverfahren innerhalb der Gebäudestruktur folgte bereits im Juni 2012. Die Verfahren müssen hier neben ihren mechanischen und abdichtenden Eigenschaften insbesondere ihre Temperaturbeanspruchbarkeit (Temperaturwechsel ca. 95°C bis 10°C), ihre chemische Belastbarkeit (pH 2 bis 12) und ihr Brandverhalten (B2) nachweisen.

Die wasserdichte Anbindung der Anschlussleitungen ist mittels praktischer Einbauten direkt unter Beweis zu stellen. Mit dem Prüfprogramm wurde eine Teststrecke erarbeitet, die der Komplexität innerhalb der Gebäudestruktur gerecht wird mit Nennweitenwechseln, 45° und 90° Bögen, Rohrmaterialwechseln und Seitenanschlüssen. Neben Haftzugmessungen am sanierten Rohr werden Wasserdichtheitsprüfungen unter Temperaturwechselbelastung am Gesamtsystem durchgeführt.

Die Sanierung erdverlegter Grundleitungen wird in der Regel durch das identische Schlauchliningverfahren abgedeckt, betrifft jedoch eine weitere DIBt-Zulassung, da hier zusätzliche Anforderungen gestellt werden insbesondere hinsichtlich Langzeiteigenschaften (10.000 h Test) und Abriebbeständigkeit.

 

Erste DIBt-Zulassung für „Sprüh-Schleuder-Verfahren“ innerhalb von Gebäuden 2009 erteilt

Die Beschichtung im Sprüh-Schleuder-Verfahren (gemäß ISO 11295:2018 Lining mit gesprühtem Polymermaterial) zur Abdichtung von Rohrleitungen innerhalb von Gebäuden ist bereits seit 2009 mit einem DIBt-Prüfprogramm geregelt und wurde seither entsprechend weiter entwickelt. Im Rahmen der Eignungsprüfungen werden die Grundeigenschaften geprüft sowie die Temperatur-beanspruchbarkeit,  chemische Belastbarkeit und das Brandverhalten untersucht. Mittels einer praktischen Teststrecke ist zudem die Machbarkeit der Abdichtung von Rissen und Löchern sowie die Herstellung von wasserdichten Anschlüssen nachzuweisen.

Die Anschlüsse werden bei den Sprüh-Schleuder-Verfahren überlappend hergestellt, so dass ein in sich geschlossenes Rohrsystem entstehen kann.

Die Sanierung von erdverlegten Grundleitungen wird im Prüfprogramm nicht mit erfasst. Hier sind zusätzliche Nachweise erforderlich insbesondere im Hinblick auf Abrieb und Langzeiteigenschaften.

 

Hinterwanderungsfreiheit im Fokus

Die hinterwanderungsfreie Anbindung von Anschlussleitungen steht im Fokus der Sanierungsplanung und -durchführung. Es ist zu verhindern, dass Abwasser zwischen Liner und Altrohr läuft und ggf. unkontrolliert austritt. Bei „nicht verklebenden“ Systemen und damit nicht hinterwanderungsfrei herstellbaren Verbindungen zwischen Liner und Altrohr ist eine zusätzliche Anbindungstechnik wie z.B. der Einsatz eines Hutprofils unabdingbar. Die „verklebenden“ Harzsysteme bieten die Möglichkeit ohne zusätzliche Anbindungstechnik wasserdichte und hinterwanderungsfreie Anschlüsse herzustellen. Anschlussleitungen können hier überlappt zur Sammelleitung saniert werden oder der Übergang zwischen sanierter Anschluss- und Sammelleitung erfolgt bündig (Zurückfräsen, vgl. Abbildung 2). Beim Sprüh-Schleuder-Verfahren können Anschlüsse je nach Altrohrmaterial und -zustand ausgesprüht bzw. beschichtet werden.

Ist ein Linereinbau in einen Seitenanschluss technisch gar nicht möglich, so ist eine wasserdichte Anbindung zur sanierten Sammelleitung aufgrund des Verbundes zwischen Liner und Altrohr zu erzielen. Der Anschluss ist bei verklebenden Systemen nach dem Öffnen ohne zusätzliche Maßnahmen wasserdicht herstellbar (vgl. Abbildung 3). Auch wenn bei den „verklebenden“ Harzsystemen nicht auf allen Rohrmaterialien und -untergründen hohe Haftzugfestigkeiten erreicht werden können, insbesondere auf Kunststoffmaterialien, kann eine hinterwanderungsfreie und wasserdichte Anbindung erzielt werden. Diese ist in einem entsprechenden Eignungsnachweis, welche die fettige Altrohroberfläche berücksichtigt, zu überprüfen.

Die mit dem Altrohr verklebenden Systeme erhalten nach einer entsprechenden Eignungsprüfung in den DIBt Zulassungen in der Regel den Hinweis, dass eine wasserdichte Verbindung ohne zusätzliche Anbindungstechnik möglich ist.

 

Flexibilität in Material und Technik

Die komplexen Leitungsverläufe innerhalb von Gebäuden, die sich häufig in diversen Bögen und Nennweitenwechseln manifestieren (Abb. 4), erfordern besonders flexible Materialien, die dem Leitungsverlauf auch folgen können. Der Sanierungsmarkt bietet hier diverse Schlauchliner-Trägermaterialien, die sich hinsichtlich Bogengängigkeit und Dehnvermögen unterscheiden. Die Sanierung von 90° Bögen und bis zu vier Nennweitenwechseln ist mittlerweile technisch mit nur einem Schlauchträger möglich. Die Sanierung im open-end-Verfahren erlaubt zudem die Einbringung von Schlauchlinern bei Rohrleitungen mit nur einer Zugangsmöglichkeit.

Die schwere Zugänglichkeit und bisweilen die Sanierung vom Dach oder aus dem Keller heraus bedarf einer beweglichen und leicht handhabbaren Technik (vgl. Abb. 5, 6).

 

Qualitätsprüfung

Die sanierten Rohrleitungen innerhalb der Gebäudestruktur sind nach der Sanierung optisch zu inspizieren und es ist eine Dichtheitsprüfung gemäß DIN EN 1610 abschnittsweise oder für das Gesamtsystem durchzuführen. Darüber hinaus lassen sich kleine Probekörper mittels Kernbohrung entnehmen und im Labor hinsichtlich ihrer Aushärtung und des Wandaufbaus u.a. analysieren.

 

Zusammenfassung und Ausblick

Die Sanierungstechniken innerhalb der Gebäudestruktur haben sich in den vergangenen Jahren deutlich weiter entwickelt. Insbesondere im Bereich flexibler Schlauchträgermaterialien und der Auswahl geeigneter Reaktionsharzsysteme konnte das Angebot erweitert werden. Auch Roboter- und Inspektionstechnologien tragen der notwendigen Flexibilität innerhalb von Gebäuden Rechnung.

Der Schwerpunkt liegt in den nächsten Jahren in der ganzheitlichen Planung zur Sanierung von Rohrleitungen innerhalb von Gebäuden. Es gilt aufwändige Stemm- und Aufbrucharbeiten zu vermeiden und vorausschauend Schäden an Rohrleitungen zu beheben. Defekte Rohrsysteme mindern den Immobilienwert und können zu kostenintensiven Folgeschäden führen.

Der RSV wird mit seinem Merkblatt 7.3 zur „Sanierung von innerhäuslichen Rohrleitungen mit vor Ort härtenden Materialien“ zur Aufklärung beitragen. Die Veröffentlichung ist für Mitte 2019 geplant.

 

Abbildung 2: bündiger Übergang zwischen sanierter Sammelleitung und sanierter Anschlussleitung [KOB]

Abbildung 3: wasserdichte Anbindung im PVC-Rohr durch „verklebende“ Harzsysteme [RS Technik AG]

Abbildung 4: Leitung mit Dimensionswechsel und 30° Bogen

Abbildung 2: bündiger Übergang zwischen sanierter Sammelleitung und sanierter Anschlussleitung [KOB]

Abbildung 3: wasserdichte Anbindung im PVC-Rohr durch „verklebende“ Harzsysteme [RS Technik AG]

Abbildung 4: Leitung mit Dimensionswechsel und 30° Bogen

Abbildung 5: Sanierung einer Fallleitung mittels Schlauchlining vom Gebäudedach aus [RS Technik AG]

Abbildung 6: Einbringung eines Kurzliners im Gebäude [IB Brenner]

Abbildung 5: Sanierung einer Fallleitung mittels Schlauchlining vom Gebäudedach aus [RS Technik AG]

Abbildung 6: Einbringung eines Kurzliners im Gebäude [IB Brenner]