Ein Artikel von Dipl.Ing. Delia Ewert und Dr. Susanne Leddig-Bahls, den Obfrauen des Arbeitskreises RSV 1.2

Veröffentlichung des RSV-Merkblattes 1.2 „Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtenden Druckschlauchlinern“

Im Dezember 2018 wurde an dieser Stelle über den Stand der Erarbeitung des RSV-Merkblatts 1.2 „Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtenden Druckschlauchlinern“ berichtet [1]. Das Merkblatt stellt die normative Basis des Druckschlauchlinings dar, legt Anforderungen an Materialien fest, definiert Techniken und Verfahren, beschreibt die Grundlagen der Planung und Ausführung und gibt zudem auf Basis von typischen Betriebsbedingungen in einem Druckrohrsystem Anforderungen an die Qualitätssicherung und Prüfung vor.

Druckleitungen im Abwasserleitungsnetz bedingen besondere technische Ansprüche: Zum einen durch die betrieblichen Herausforderungen wie fehlende Umleitungsmöglichkeiten oder eingeschränkte Zugänglichkeit über Revisionen, die Reinigung und vor allem Inspektion erschweren; zum anderen durch die Belastungen, die aus dem Pumpenbetrieb resultieren. Hier ist nicht nur der eingebrachte Innendruck zu betrachten, auch Probleme resultierend aus fehlender Be- und Entlüftung und aus Schaltvorgängen von Pumpen (Druckstoßwellen) sind zu berücksichtigen (Bild 1). Beim Druckstoß ist insbesondere das Auftreten von Unterdruck ein Phänomen, dass neu in die Betrachtung einbezogen worden ist.
Die speziellen Bedingungen bei Abwasserdruckleitungen bedeuten sowohl für den Bau als auch für den späteren Betrieb eine besondere Herausforderung für das System Druckschlauchliner.

Bild 1: Schematische Darstellung eines Pumpwerkssystems und typische Schwingungsverläufe aus der zugehörigen Druckstoßberechnung

Bild 1: Schematische Darstellung eines Pumpwerkssystems und typische Schwingungsverläufe aus der zugehörigen Druckstoßberechnung

Der RSV hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem RSV-Merkblatt 1.2 „Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtenden Druckschlauchlinern“ Regelungslücken zu schließen und eine wichtige Basis für alle am Projekt Beteiligte zu bieten – vom Planer und Auftraggeber über den Linerhersteller und Einbauer. Die Ergebnisse des Arbeitskreises sind bei der letzten Veröffentlichung im Dezember 2018 erstmalig vorgestellt worden und sollen hier erweitert werden.


Grundlagen für die statische Berechnung

Eine Diskussion, die zum Zeitpunkt der letzten Veröffentlichung noch nicht abgeschlossen war, ist die Einordnung der eingesetzten Verfahren entsprechend ihrer tatsächlichen statischen Wirkung. Diese stellt sich in der Praxis bisweilen als schwierig dar.
Die Europäische Norm DIN EN ISO 11295 [2] gibt die statische Klassifizierung für Druckleitungs-Liner vor und unterscheidet hier die Klassen A (vollständig statisch belastbar), B und C (semi-statisch belastbar) sowie D (nicht statisch belastbar), vgl. Tabelle 1. In dieser Norm wird zudem ein Überblick zu den vorhandenen Renovierungs- und Erneuerungsverfahren gegeben.

Tabelle 1: Statische Klassifizierung von Druckleitungs-Linern gemäß DIN EN ISO 11295 (2018-06)

Tabelle 1: Statische Klassifizierung von Druckleitungs-Linern gemäß DIN EN ISO 11295 (2018-06)

In der planerischen Praxis ist es oft schwierig, aus den Regelungen der Normung abzuleiten, welche Lasten konkret für den statischen Nachweis eines Druckschlauchliners anzusetzen sind. Hier gibt das RSV-Merkblatt jetzt eine verständliche Übersicht (Tabelle 2) der zum Ansatz zu bringenden statischen Einwirkungen in Abhängigkeit von der Klassifizierung gemäß EN ISO 11295 und den Lastfällen gemäß DWA A 143-2.

Tabelle 2: Einwirkungen auf den Druckschlauchliner in Abhängigkeit von Linerklasse und Lastfall als Grundlage für die statische Berechnung

Tabelle 2: Einwirkungen auf den Druckschlauchliner in Abhängigkeit von Linerklasse und Lastfall als Grundlage für die statische Berechnung

Verbindungstechniken

Grundsätzlich ist der Druckschlauchliner bzw. das mittels Druckschlauchliner sanierte Altrohr dem Netzbetreiber anschlusstauglich zu übergeben. Eine abgeschlossene Sanierung beinhal-tet somit nicht nur den Druckschlauchliner selbst, sondern stets auch entsprechende Verbin-dungsmöglichkeiten an das Druckleitungsnetz. Im Merkblatt werden die Verbindungstechniken in drei Typen kategorisiert und schematisch dargestellt und textlich umfassend erläutert:

  • Verbindung über das Altrohr (Bild 2)
  • Verbindung über ein Fitting (Bild 3)
  • Verbindung über den Druckschlauchliner (Bild 4)

Bild 2: Verbindungstechniken über das Altrohr

 

Bild 3: Verbindungstechniken über ein Fitting

 

Bild 4: Verbindungstechniken über den Druckschlauchliner (Klasse A)

Bild 2: Verbindungstechniken über das Altrohr

 

Bild 3: Verbindungstechniken über ein Fitting

 

Bild 4: Verbindungstechniken über den Druckschlauchliner (Klasse A)

Der sanierte Rohrabschnitt erhält somit verbindungsfähige Spitzenden oder Flanschverbindungen. Die Verbindungstechniken sind gemäß den örtlichen Anforderungen des Netzbetreibers sowie in Abhängigkeit des Altrohrzustandes, -materials und des Linerdesigns auszuwählen.

 

Planung – ein besonderer Schwerpunkt

Die Planung ist die Basis für eine erfolgreiche Sanierung von Abwasserdruckrohrleitungen. Das Merkblatt liefert hier konkrete Hinweise für die Aufstellung der Leistungsbeschreibung. Es wird u.a. auf folgende Themen eingegangen:

  • Abflusslenkung (Vorflut): Für die spätere Bauausführung ist immer eine umfassende Planung zur Abflusslenkung notwendig, welche mind. folgende Angaben als Ergebnis enthalten muss:
    • abzuleitende Abwassermengen
    • Länge und Durchmesser der notwendigen Ersatzleitungen
    • Abnahme- und Einleitpunkte inkl. geodätischer Höhen
    • bauliche Besonderheiten über den Leitungsverlauf (Unterflurverlegung, Aufständerung o.ä.)
  • Reinigung: Hier sind Angaben notwendig zur Art der Reinigung, zu Zugänglichkeiten und Aufstellflächen sowie zur Ver- und Entsorgung des Spülwassers. Sofern eine Reinigung über vorhandene Reinigungsöffnungen nicht sichergestellt werden kann, muss die Planung Zugangsmöglichkeiten über Baugruben vorsehen.
  • Entfernung von Inkrustationen: In Abhängigkeit von der gewählten Linerklasse und Ausführung, ist das Reinigungsziel wie folgt definiert
    • Klasse A und Klasse B: freier Querschnitt, keine losen Teile, frei von einragenden Hindernissen und Inkrustationen
    • Klasse C: wie oben, zusätzlich frei von trennenden Substanzen (klebfähiger Untergrund, „metallisch blank“)

          Ferner sind in der Planung Angaben zu Lage, Länge, Höhenverlauf und Anordnung von Reinigungsöffnungen zu machen. Ggf. sind              bauliche Maßnahmen notwendig, um die Reinigung zu ermöglichen. So können zum späteren Einbau notwendige Baugruben bereits            für die Reinigung errichtet werden.

  • Optische Inspektion: Die Planung muss eine optische Inspektion zu Baubeginn und nach Beendigung der Vorarbeiten vorsehen.
  • Kalibrierung: Nach Beendigung der Vorarbeiten ist eine durchgehende Kalibrierung der Leitung vorzusehen, wenn es Hinweise auf vorhandene Durchmesserschwankungen gibt.
  • Baugruben: Anordnung und Größe sowie Zugänglichkeit und Aufstellflächen sind zu benennen.
  • Umgang mit Bögen: Es ist festzulegen, wie mit Bögen und Einbauten zu verfahren ist.
  • Verbindungstechnik: Die Art der Verbindung des fertigen Liners ist unter Berücksichtigung des Zustands des Altrohres anzugeben.
  • Qualitätssicherung: Die Planung muss Angaben zu den geforderten Qualitätsprüfungen auf der Baustelle enthalten (Materialprüfung, optische Inspektion, Druckprüfung).

 

Fazit

Das RSV-Merkblatt 1.2 „Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtenden Druckschlauchlinern“ wird im Mai 2019 veröffentlicht und unterstützt Netzbetreiber, Planer, Systemhersteller und Sanierungsunternehmen darin, den besonderen Herausforderungen der Druckrohrleitungssanierung gerecht zu werden und Projekte erfolgreich zu planen und umzusetzen.

Der RSV wird sich nun mit den zusätzlichen Anforderungen bei der Sanierung von Trinkwasserleitungen beschäftigen und den Arbeitskreis 1.3 „Renovierung von Trinkwasserleitungen mit vor Ort härtenden Druckschlauchlinern“ gründen. Die Grundlagen für die Druckleitungssanierung mittels Schlauchlining werden mit diesem Blatt bereits gelegt und sind insbesondere durch die besonderen Anforderungen hinsichtlich Trinkwasserhygiene und die erforderlichen Eignungsprüfungen und Zulassungen zu erweitern. Wer mitwirken möchte, meldet sich gerne beim RSV oder direkt bei den Obfrauen. Wir freuen uns auf Sie!

 

[1] Bericht aus dem Arbeitskreis zum RSV-Merkblatt 1.2 „Renovierung von Abwasserdruckleitungen mit vor Ort härtendem Schlauchlining“, 3R, 12|2108

[2] DIN EN ISO 11295 Klassifizierung und Informationen zur Planung und Anwendung von Kunststoff-Rohrleitungssystemen für die Renovierung und Erneuerung, Juni 2018

[3] DWA A 143-2 Sanierung von Entwässerungssystemen außerhalb von Gebäuden – Teil 2: Statische Berechnung zur Sanierung von Abwasserleitungen und -kanälen mit Lining- und Montageverfahren, Juli 2015